Im Rauschen der bürgerlichen Nachrichtenportale und Social-Media-Feeds überschlägt sich seit Wochen das Geschrei nach mehr Waffen und noch mehr Krieg. Kleinere Unternehmen straucheln, die Inflation ist weiterhin sehr hoch. Gleichzeitig dient das Ausmaß zunehmender sozialer Ungleichheit in der Bundesrepublik medial zwar als Schlagzeile, wird tendenziell aber heruntergespielt. Der offene Kriegskurs und die daraus folgende weitere Verschärfung der wirtschaftlichen und sozialen Krise, soll öffentlich in ihrem direkten Zusammenhang nicht bezweifelt oder gar in Frage gestellt werden. Der Berlin-Wahlkampf steht dieser Schweigsamkeit in nichts nach.

Wir sehen uns genötigt zu einer kurzen Stellungnahme. Nicht weil wir den Kampf für Frieden, Gleicheit und (Klima-)Gerechtigkeit im Parlament per se ablehnen aber unter den aktuellen Krisenerscheinungen und der deutschen Kriegsbeteiligung diesen heuchlerischen und entfremdeten „Weiter-so-Wahlkampf“ verurteilen. Die Lösungsangebote des Berliner Senats und seiner Opposition sind unter diesen Bedingungen eine politische Bankrotterklärung.

Die aktuellen Positionen nach Gerechtigkeit („Übergewinnsteuer“, „Umverteilung“, „Rekommunalisierung“, „Klimaschutz“) und Sicherheit („Preisbremse“, „Vergesellschaftung“, „Bildungsoffensive“) lassen aufhorchen aber verkommen bei genauem Hinschauen zur Mogelpackung. Der Frust und die Wut über leere Worte sind natürlich nicht neu, nach Jahren kapitalistischer Krisenwirtschaft, HartzIV und Mietenwahnsinn umso riesiger. Für uns im Kiezhaus ist diese Erfahrung der Alltag. Ob sich die Stimmung in der zunehmenden sichtbaren Ablehnung des im öffentlichen Raum abgeladenen Wahlkampfmaterials niederschlägt, können wir nur vermuten.

Karten auf den Tisch: Es steht nicht gut um eine erfolgreiche Veränderung der Kräfteverhältnisse zu Gunsten der Armen und ausgebeuteten Mehrheit. Auf das beispielhafte politische Aussitzen der Forderungen nach mehr Lohn und Entlastung der Beschäftigten im Gesundheitswesen zur Hochphase der Pandemie, folgt nun das Abwehren gewerkschaftlicher Forderung nach einem Inflationsausgleich der Belegschaften im öffentlichen Dienst. Sparen, Sparen, Sparen für den Profit von Wenigen. Keine Partei im Senat will an diesen Zuständen momentan etwas grundlegend ändern. Gleichzeitig läuft die Kriegsmaschinerie, fordert Entbehrung im nun offenen Krieg der Bundesregierung gegen Russland und verfeuert Unsummen. Wir wünschen den streikenden Kolleg*innen einen langen Atem und eine konfliktorientierte Auseinandersetzung zur Abfederung der immensen Preissteigerungen. Letztlich das richtige Signal: Streiks statt Panzer!

Das Kiezhaus Agnes Reinhold will moralisch niemanden in Sachen Stimmabgabe ins Gewissen reden. Wir wissen auch um engagierte Einzelpersonen in den Kiezbüros der Senatsparteien. Wir plädieren aber dafür, sich in unabhängige politische Basisinitiativen einzubringen, mit uns weiter eine soziale Bewegung aufzubauen – für eine echte demokratische Interessenvertretung statt Mitmachen bei der bloßen Armutsverwaltung der Regierung. Wir plädieren dafür, den Protest gegenüber diesem Fiasko was sich Berlin-Wahl 2023 nennt, konstruktiv zu kanalisieren.

Kiezhaus-Rat, Januar 2023


Erklärung zur Berlin-Wahl 2023: Mehr Krieg und noch mehr Armut?